MANV

Ein Unglück, nicht allein

Der Massenanfall von Verletzten

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) definiert einen Massenanfall von Verletzten (MANV) als „Notfall mit einer größeren Anzahl von Verletzten … der besondere planerische und organisatorische Maßnahmen erfordert, weil er mit der vorhandenen und einsetzbaren Vorhaltung der präklinischen und klinischen Versorgung nicht bewältigt werden kann.“[1]

Die Triage

In der COVID-19 Pandemie, in welcher sich das SARS-CoV-2 im Jahr 2020 weltweit massiv ausbreitete, wurde der Begriff der Triage in vielen deutschen Zeitungen und Magazinen genannt. Vielen Menschen wird der Begriff daher mit „dem sterben lassen“ in Erinnerung geblieben sein, was der Idee der Triage widerspricht.

Eine Triage ist in erster Linie ein Werkzeug, dass helfen soll eine Behandlungsnotwendigkeit bzw. -dringlichkeit zu ermitteln. Ein einfaches Beispiel soll die Grundidee verdeutlichen.

Herr Müller sitzt bei seinem Hausarzt, weil er seit Tagen schlecht schläft. Ein Frau betritt, die Praxis, sie sieht bleich und schmerzgeplagt aus, greift sich an die Brust und kann nur schwer atmen. Zu Lasten der Wartezeit von Herr Müller, kümmert sich der erfahrene Hausarzt sofort um die Frau.

Der Hausarzt hat in diesem Fall eine Triage durchgeführt. Aufgrund seiner Erfahrungswerte vermutet er einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) bei der unbekannten Frau und stuft diesen dringlicher als die Schlaflosigkeit des Herrn Müllers ein. Mit seiner Geduld trägt Herr Müller zur Lebensrettung der Frau bei.

Mit schwierigeren Begebenheiten, unübersichtlicheren Situationen und mehr geschädigten Patienten wird die Triage immer komplexer. So basieren Triageentscheidungen in Notaufnahmen mit kontinuierlichem Patientenzustrom oder während Massenanfällen von Verletzten, auf Algorithmen welche versuchen nicht nur Dringlichkeiten zu ermitteln, sondern auch ethisch neutrale Entscheidungen zu treffen.

Ist Forschung hier notwendig?

Denkt man die Definition für den MANV des BBK weiter, erkennt man schnell, dass die Anzahl der Verletzten nur den einen Teil der Definition abbildet. Vielmehr ist einerseits ein Augemerk auf die klinischen und präklinischen Versorgung zu legen, welche die Behandlungsmöglichkeiten nach unten begrenzen. So sind hier mediale populäre Stichworte der letzten Jahren wie z. B. „Landarztmangel“ und „Krankenhaussterben“ zu nennen, die deutlich machen, dass eine optimale Patientenversorgung nicht immer und überall gewährleistst ist.

Andererseits nehmen extreme Ereignisse, die potentiell mehr Schadenslagen mitbringen zu.
Als (hoffentlich) großes Ausnahmeereignis hat die COVID-19 Pandemie, Deutschland und den meisten anderen Industrieländern aufgezeigt, dass selbst modernste Gesundheitssysteme personelle und physische Grenzen haben, in deren Rahmen die Versorgung von Patienten optimiert und zur besten Genesung aller priorisiert werden muss.
Sieht man allerdings von der Pandemie und deren Folgen als einzelnes Ereignis ab, ist in Zukunft dennoch mit dem vermehrten Auftreten von großen Schadenslagen zu rechnen.
In Folge des vom Menschen gemachten Klimawandels ist mit dem vermehrten Auftreten von extremen Witterungsverhältnissen und deren Folgen zu rechnen [2]. Szenen wie z. B. im Juli 2021 im Landkreis Ahrweiler [3], zeigen deutlich auf, wie aktuell der Bedarf einer optimalen präklinischen Versorgung und damit die optimale Verteilung von Ressourcen ist.
Noch unter dem Aspekt des globalen Terrorismus, sehen Laible et al (Klinikum rechts d. Isar) auf Basis des Global Terrorism Index 2016 die Notwendigkeit der „Entwicklung entsprechender präklinischer und klinischer Konzepte“. In ihrem Paper erkennen sie „Ein Nadelöhr in der Versorgung bei einem MANV stellen vor allem Schockräume mit CT, Operationssäle sowie die Intensivbehandlungsplätze dar. Dennoch haben wir keine Alternativen für den Fall einer Erschöpfung dieser Ressourcen in den Algorithmus aufgenommen. […] Zum anderen ist eine detaillierte Planung […] im Algorithmus nicht abbildbar und erfordert zudem eine spezifischen an die jeweilige Situation adaptierten Lösungsansatz. Leider steht hierfür noch kein standardisiertes und validiertes Konzept zur Verfügung. Die Entwicklung eines solchen ist Gegenstand aktueller Forschung.“.

Quellen

*[1]: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Massenanfall von Verletzten (MANV), https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/M/MANV.html, am 14. Sep. 2021

*[2]: Deutscher Wetterdienst, Änderung des Extremverhaltens von Temperatur, Niederschlag und Windgeschwindigkeit, https://www.dwd.de/DE/forschung/klima_umwelt/klimaprojektionen/extremereignisse/extremereignisse_node.html, am 14. Sep. 2021

*[3]: Deutsche Wikipedia (div. Autoren), Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021, https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_in_West-_und_Mitteleuropa_2021#Rheinland-Pfalz, am 14. Sep. 2021